Dienstag, 16. September 2014

Erlebnisbericht: Blind durch den Kletterwald

Ein Urlaub auf der wunderschönen Ostseeinsel Usedom hat mich um eine interessante Erfahrung reicher gemacht: frei nach dem Motto "ab und zu braucht man mal eine neue Herausforderung" bin ich vergangene Woche durch den Usedomer Kletterwald gekraxelt.


Kletterwald? Was ist das eigentlich?


Die Idee ist simpel: im Kletterwald sind zwischen einer Menge hoher Bäume mehrere Parcours aus verschiedenen kletteraufgaben aufgebaut. Diese reichen von Seilbahnen, bei denen man an einer Seilrolle frei schwebend ein Drahtseil entlang gleitet, über Netze, Tonnen und Seilbrücken verschiedener Schwierigkeitsgrade bis zu Affenschaukeln, bei denen man sich zwischen V-färmigen Trittseilen entlang hangelt. Zwischen den einzelnen Kletteraufgaben steht man auf schmalen Plattformen, die mehr oder wemiger gerade hoch oben um die Bäume herum angebracht sind.

Beim Klettern geht es dabei immer sehr sicher zu. Man trägt einen Klettervurt, an dem sich sowohl die Seilrolle fürs Seilbahnfahren befindet als auch zwei Sicherungsseile, mit denen man ständig irgendwo eingeklinkt ist, so dass man nie wirklich herunterpurzeln kann. Außerdem ist ständig Personal anwesend, das für Ordnung sorgt und falls erforderlich in Not geratene Kletterer aus den Bäumen pfückt.


Und wie lief das ab?


Am Anfang stand natürlich ersdtmal die Frage nach dem "Wie?" Meine Entscheidung fiel ganz spontan, weshalb das Team vom Kletterwald keine Vorwarnung hatte. Die Mitarbeiter waren anfangs vielleicht ein klein wenig zögerlich, aber wirklich nett und grundsätzlich sehr aufgeschlossen. Sie bestanden jedoch richtigerweise darauf, dass ein Sehender mit mir hinauf müsse. Nach ein wenig Überredung erklärte sich dann schließlich einer der Mitarbeiter bereit, mit mir in die Bäume zu steigen.

Los ging es mit dem Anlegen der Ausrüstung und der sehr sympathischen Anna, die mir die obligatorische Einweisung am Boden bzw. an einem Mini-Parcour gab, an dem man die Handhabung der Sicherungsseile, der Seilrolle und einiger typischer Elemente ausprobieren kann. Neben dem Klettervurt trägt man auch Handschuhe, um die Finger vor den Stahlseilen zu beschützen. Das Angebot, einen Kletterhelm zu tragen, nahm ich dankbar an, denn man muss auf den Plattformen doch öfter mal unter Seilen hindurchtauchen, und da oben geht es mit all den Seiaufhängungen und Absicherungen manchmal ganz schön eng zu.

Gesichert durch eine Seilbremse ging es dann als erstes einige Meter eine Strickleiter hinauf, und oben wartete dann auch schon die erste echte Kletteraufgabe. Auf meinem gewählten parcour "Erlebnis" gab es davon insgesamt 22, die mich bis in sechs Meter Höhe führten. Und wer sich darunter jetzt nicht so viel vorstellen kann: das entspricht etwa 35 Treppenstufen oder grob gerechnet der Höhe des Balkons im zweiten Stock. Nicht das mich die Höhe sonderlich berührt hätte (blind sein hat ja schließlich auch seine Vorteile), aber die Stimmen vom Boden haben mir dann doch manchmal klargemacht, wie hoch oben ich war.

Mein äußerst sympathischer Begleitkletterer Sebastian hat dabei einen fantastischen Job gemacht. Je nach Aufgabe ist er entweder vorausgeklettert oder kam hinterher, und er hat mit viel Geduld und guter Laune immer perfekt auf mich und meine Sicherungsseile aufgepasst. Und auch wenn er das erste Mal in diese Rolle geschlüpft war, so hatte er doch ruckzuck raus, welche Hinweise ich brauchte, um die jeweils nächste Aufgabe zu verstehen. Dabei war es sicherlich nicht immer ganz einfach, die phantasievollen Gebilde aus Seilen und Tritten so zu zu beschreiben, dass ich mir ein Bild machen konnte. Im Zweifelsfall bin ich dann halt einfach drauflos geklettert, und spätestens beim zweiten oder dritten Schritt war klar, in was für einer Art Kletterelement ich drin hing.

Im Gegensatz zu sehenden Kletterern musste ich dabei natürlich oft ausharren, um mit dem Fuß nach dem nächsten sicheren halt zu tasten. Das macht Einige Aufgaben für einen Blinden etwas herausfordernder als für einen Sehenden. Mein persönlicher Herzklopfmoment war das Zirkusseil, ein einzelnes, leicht nachgebendes Drahtseil, dass man wie ein Seiltänzer mit einer Stange in der Hand überquert. Da ich aber mangels Sichtkontakt und Mangels Übung das Seil mit dem Fuss ertasten musste, war die Stange wenig nützlich. Stattdessen hielt ich micht über Kopf an der Stangenhalterung fest. Das Ergebnis war zwar ein wenig wakelig, aber angekommen bin ich trotzdem.

Insgesamt verbrachte ich fast zwei Stunden in den Bäumen, wobei natürlich einiges an Zeit für Erklärungen draugging. Und je länger ich am klettern war, destoo besser klappte es und desto mehr Spaß hatte ich. Da waren verschiedene Seilbrücken, mal mit regelmäßigen Sprossen, mal mit einem kunterbunten Kauderwelsch an Fußtritten("und jetzt ein grooooooßr Schritt nach vorne!"), und in einem Fall auch mit mehreren, etwa 2 Meter langen hölzernen Wippen. Ich bin durch Netze geklettert, habe mich durch eine lose aufgehängte Holzröhre gezwängt, bin in luftiger Höhe von meinem Klettergurt hängend Seilbahnen entlang gefahren und extrem wackelig aufgehängte Bretterkontruktionen entlang gelaufen. Und zum krönenden Abschluss gab es dann noch eine extra lange Seilbahnfahrt bis auf den Boden.

Am Ende war ich erschöpft, aber glücklich. Und vielleicht auch ein klein wenig stolz, den kompletten parcour ohne Absturz und ohne Abkürzung geklettert zu sein.

Mein persönliches Fazit: es war eine tolle Erfahrung, und ich hoffe, diese bald einmal wiederholen zu können. Mein besonderer Dank gilt dabei dem Team vom Usedomer Kletterwald, und allen voran meinem Begleitkletterer Sebastian, die einfach einen perfekten Job gemacht haben.

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